Montag, 30. August 2010

Hannes Wader: "Kleine Stadt"

Kleine Stadt, zwischen Bergen und Wäldern versteckt
damals noch fern der Welt und von ihr unentdeckt.
Deine Mauern umwuchert von blühendem Wein
bis tief in deine Gassen hinein.
Ich war jung, oft berauscht, Freunde mehr als vom Wein
von euren Lügengeschichten und Liedern.
Einen Tag meines Lebens gäb ich dafür her,
wenn es einmal noch wieder so wär.
Kleine Stadt, seitdem gingen viele Jahre ins Land
und auch du bist längst von Fremden besetzt, überrannt
Der Gast ist geduldet, geliebt wird sein Geld
so wie überall auf der Welt.

Aber ich fühlte mich immer von dir begrüßt
und noch jedesmal freundlich empfangen
wie ein verlorener Sohn, der seit langem vermisst
nun doch endlich heimgekehrt ist.
Kleine Stadt, von wohl allen hier aus diesem Kreis
fordert das Schicksal und die Zeit ihren Preis.
Und ich denke an die, die nicht mehr bei uns sind,
sehe, wie auch mein Leben verrinnt.
Wie bei andren verlöschen die Lichter im Wind
die vom Leben besiegt und gebrochen.
Nun fehlt mir ihr Lachen und fehlt mir der Klang
ihrer Stimmen in unserm Gesang.
Kleine Stadt, unser Kreis wird bald noch enger sein
doch bleibt uns noch immer im Sinn hier der Wein
von Crebu und wir füllen noch ein letztes Mal
mit unseren Stimmen den Saal.
Und wir werden singen, doch wir fragen uns auch,
wird es nach uns wohl noch jemand geben,
der wenn unser Gesang erst für immer verklingt
noch unsere Lieder singt.

5 Kommentare:

Tati hat gesagt…

So viel Wehmut klingt aus dem Text. Die Feier scheint aber feucht-fröhlich gewesen zu sein.
Interessante Bilder von früher und jetzt und im Grunde kenne ich solche Bilder auch aus meiner Geburtsstadt Dresden.
Liebe Grüße
Tati

Kathrin hat gesagt…

In den letzten 10 Jahren, seit es dieses Stadtfest in dieser Form gibt, ist die Einwohnerzahl von 52000 auf unter 30000 zurückgegangen (aber zum Stadtfest kommen alle wieder zurück). Ganze Wohnbezirke wurden abgerissen (zurück zur Natur...) Und selbst das Stadtfest 2011 wurde heute in der Tageszeitung in Frage gestellt. Natürlich aus finanziellen Gründen, was sonst!

Anonym hat gesagt…

Ein wunderbar melancholischer Text - treffend illustriert. "Rückbau" heißt das wohl, was die Stadtplaner veranstalten. Auch wenn man die Sachargumente z.T. nachvollziehen kann und wenn manche Viertel vielleicht keine Perlen der Architektur waren - sie waren "Heimat"! Traurig, dass es nicht gelingt, die Arbeit wieder zu den Menschen zu bringen. :-( Wenn es so weiter geht, werden noch viele Stadtviertel von dn Landkarten verschwinden - nicht nur in Eisenhüttenstadt.

LG,
Anne

Kathrin hat gesagt…

Anne: DANKE! Du hast das ganz genau verstanden und eigentlich viel besser ausgedrückt, als ich.

Jörg hat gesagt…

Sie ist auch was ganz besonderes deine Stadt, und nicht nur weil du da gelebt hast.

Jörg