Dienstag, 8. September 2009

Wenn man Grenzen überschreitet


Er wird als härtester Duathlon der Welt präsentiert. Und als mir Nancy irgendwann einmal bei einem Triahlon in Brandenburg davon erzählt, da war es um mich geschehen. Da hat sich dieser Wahnsinn in meiner Rübe festgesetzt. Und wenn so etwas einmal bei mir passiert, dann ist das gefährlich... 10 Kilometer Laufen - 150 km Rad fahren und nocheinmal 30 km laufen. Dabei sind in der Summe 2600 Höhenmeter zurückzulegen. 1600 davon auf dem Rad. Ich hab Schiss - aber ich will wissen, ob ich das schaffen kann.

Bine muß mich ertragen. Aber das macht sie gut. Um so höher ist das anzurechnen, weil ich mir zum ersten Mal seit ich Wettkämpfe bestreite, nicht sicher bin, ob ich es schaffen werde. Weil es eine Sache sein wird, für die ich eigentlich nicht wirklich trainiert habe. Mein Ziel in diesem Jahr waren Mitteldistanzen. Und als ich mich entschieden hatte, in Zofingen zu starten, habe ich die Radumfänge noch ein bischen erhöht und bin einmal über 26 km Laufen im Training gegangen. Das ist alles. Ich wollte nur ankommen. Dort und an meinen Grenzen um dann vielleicht ein kleines Stück darüber hinaus zu gehen. Und heute ist es nun soweit. Mir ist schlecht. Macht aber nix, ist mir ja immer. Das Teilnehmerfeld der Frauen ist sehr übersichtlich bei dieser Duahtlon Langdistanz-WM.

Deshalb treffe ich auch gleich nach dem Check In auf Steffi aus dem Forum, Nancy sowieso und lerne dann an der Startlinie noch Katja kennen, ebenfalls in beiden Foren aktiv. Wir nehmen uns in die Arme, wünschen uns gutes Durchkommen und schon gehts ab, auf die ersten 10 km Laufstrecke - und auf die ersten 350 Höhenmeter, von denen ein nicht unerheblicher Teil sofort nach dem Start wie eine Wand vor einem steht.


Ich hatte mir meine Piranhas ausgesucht für den ersten Lauf. Schuhe, die eigentlich den Namen nicht mehr verdienen, nur ein bischen Mash und eine hauchdünne Sohle. Hat ja in Wiesbaden gut geklappt auf dem Halben und all meine ODs habe ich diese Saison damit bestritten, egal ob Asphalt oder Gelände... ja, aber eben keine Berge.

Nach 44 Minuten bin ich in der Wechselzone mit einem unguten Gefühl in den Waden. Das sollte sich sofort noch bestätigen, als beim Schuhwechsel kurzzeitig die eine Seite dicht macht.

Ich ignoriere es zunächst, aber das gelingt mir nur bis km 12 auf dem Rad. Jetzt wirds böse. Nach ZWÖLF Kilometern. 150 sollten es schon werden... Ich versuche mich im Kopfrechnen, wie lange meine Salztabletten reichen, wenn ich sofort damit beginne... Nein, mit allem hatte ich gerechnet, aber nicht mit Krämpfen auf dem Rad. Durch geschicktes Kurbeln und Verlagern der Belastung beim Wiegetritt an den Anstiegen gelingt es mir, die Geschichte zumindest nicht zu verschlimmern. Nach 23 Kilometern ist der 16 Prozent-Anstieg zum ersten Mal geschafft. Noch ein kleiner Hügel im Anschluß und dann wird man belohnt. Was für eine großartiger Moment, noch kann ich ihn in vollen Zügen genießen. Oben auf dem Bodenberg präsentiert sich am Horizont das Bergmassiv der Schweizer Alpen. Gigantisch. Dazu Sonne satt. Wie schön, daß ich diesen Augenblick mit Steffi teilen kann, die gerade auf meiner Höhe mitfährt. Doch viel Zeit zum Genießen bleibt nicht - jetzt kommt der Kick, der auch noch nach der 3. Runde ein paar Endorphine bereithält. Kopfüber im wahrsten Sinne des Wortes geht es hinab ins Tal. Wahnsinn. Und ein bischen Erholung zumindest für die Beine, der Rest des Körpers muß sich konzentrieren. Hier kann ich dann auch ein bischen Zeit gutmachen, die den vielen steilen Anstiegen geschuldet sind. Trotzdem bleibt der Unsicherheitsfaktor Waden... und das macht mir zunehmend Sorge. Wie soll ich nur so ein drittes Mal über den Bodenberg.... geschweige denn auf die 30 steilen Laufkilometer. Doch mein erstes DNF? Hab ich zuviel gewollt?


Mit Salztabletten und ein bischen Magnesium im Tütchen kann ich es aber so einigermaßen im Zaum halten. Die zweite Runde ist, obwohl mental schon hart, weil man noch so viel vor sich, aber auch schon so viel hinter sich hat, doch etwas abwechelungsreicher, weil die Jungs jetzt auf der Strecke sind. Felix überholt mich und wir wechseln kurz ein paar Worte, dann ist er auch schon weg. In Runde 3 tut dann schon der Ebersberg weh. Kurz darauf folgt der Bodenberg - es ist sauhart. Manchmal, wenn ich von einem der Jungs überholt werde, gibts nette Worte - richtig lieb, hier leiden alle, das hier tut jetzt allen weh... und irgendwie ist auch das Bergmassiv als Zielprämie da oben nicht mehr das, was es einmal war. Ein letztes Mal kopfüber in die Schlucht... Jetzt ist es klar, jetzt weiß ich, daß ich es schaffen werde. Auch das Laufen, denn mit Salz und Magnesium habe ich es einigermaßen unter Kontrolle. Nur nicht leichtsinnig werden, nur jetzt nicht knüppeln, das wäre der Abschuß. Aber eigentlich bin ich auch viel zu fertig, um zu knüppeln. Kurz vorm Erreichen der Wechelzone ruft es von hinten: "Kathrin? Kathrin aus Neuzelle?" "Jaaaaa????!!!!, und wer bist Du?" Auf gleicher Höhe dann die Antwort: "Torsten, Torsten vom Potsdamer Laufclub" Na ja, Torsten also. Kenn ich zwar nicht, aber hat mich sehr gefreut. Nach 5:48 erreiche ich die Wechselzone und bin froh, aus den Klickis zu kommen.


Jetzt laufe ich in meinen Nike Air Zoom Elite, leicht aber dennoch etwas gedämpft, die richtig Wahl diesmal. Auch hier geht es gleich zu Beginn wieder heftig hinauf und meine Oberschenkel brennen. Doch ich habe noch 30 km vor mir, also beschließe ich, Kraft zu sparen. Seit 6,5 Stunden bin ich jetzt unterwegs, etwa 3 hab ich noch vor mir - das Meiste ist geschafft - also entspannen und vielleicht versuchen, ein bischen zu genießen, daß ich hier gerade etwas Großartiges zu Ende bringen werde. Und freuen auf das "Danach". An den steilen Anstiegen gehe ich, laufen ist auch nicht schneller und kostet Körner. Das, was ich laufe, laufe ich um die 5 min/km. Damit bin ich zufrieden, ich muß nur vorsichtig die Schritte setzen, in dem unwegsamen Gelände. Aber es geht mir gut. Und das zählt. Ich werde es schaffen. Nik begegnet mir unterwegs, Nancy, Steffi und Katja, Felix, Torsten aus Potsdam ebenso. Jedesmal kurze small talks im Vorbeilaufen, denn durch die vielen Wendepunkte trifft man sich öfter. Biene erwischt mich nach 15 km, die Hälfte der Laufstrecke ist geschafft.

Nur noch einmal den Berg hinauf, da oben auf Zofingen hinunterschauen, "Wasser - Salz - Cola - Wasser über Kopf - Wasser" an jedem der wirklich reichlichen Verpflegungsstände und dann darf ich nach 3 Stunden und einer Minute Laufzeit über den blauen Teppich.
Der Sprecher (docci aus dem TS-Forum) begrüßt mich im Ziel mit Namen und Verein - Bine ist da zum Abklatschen, Nik und natürlich Felix.

Ich habs geschafft! Ich hab diese harte Nuss geknackt. Nach 9 Stunden und 37 Minuten bekomme ich meine Medaille umgehängt und bin wahnsinnig stolz. Es war so hart wie erwartet, kein bischen leichter. Ich habe gezweifelt und gekämpft. Ich war unten und hab mich selbst wieder hinaufgeholt. Und auch wenn es gefühlt der längste Tag meines Lebens war, schlafe ich in dieser Nacht noch lange, lange nicht ein. Weil er ewig dauern sollte - und weil ich glücklich bin.




Einen Bericht vom Schweizer Sportfernsehn gibt es hier: KLICK

20 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Kathrinchen,

du bist Wahnsinn! Ein sehr positiver Wahnsinn!

Danke für alles.

Rudi

Sigi hat gesagt…

Toooolll - Tränchen im Auge hab ich das nun gelesen. Schade hat es mir nicht gereicht Dich irgenwo anzufeuern. Ein ander mal wieder...

Liebe rGruss Sigi

Uli hat gesagt…

Super Kathrin - und lass Dir gesagt sein, nach der Erfahrung ist ein Ironman ein Spaziergang. Naja, nicht ganz, aber Powerman ist härter.
Dein Bericht erinnert mich sehr an mein einmaliges Powerman-Erlebnis damals in Spalt und ohne spezielle Vorbereitung. Krämpfe nach ein paar Kilometern auf dem Rad, irgendwie gehts aber weiter. Man schaffts zum zweiten Wechsel und zieht auch den anschließenden Lauf irgendwie durch. Im Ziel und danach bleibt vor allem der Stolz, dass man es geschafft hat.
Du kannst wirklich stolz sein und wenn Du mal Deinen Enkeln von Deinen Großtaten berichtest, wird dieser Wettkampf sicher zu den bevorzugten Themen gehören.

Nochmals Glückwunsch
Uli

Highopie hat gesagt…

Ich schreib jetzt mal gar nix. Da fehlen mir nämlich die Worte.
Doch, eins hab ich:

WAAAAAAAAAAAAAAAAAHNSINNNNNNNNNN!!!

Gruß ausssem Pott
THORSTEN

Martin Schmitz hat gesagt…

mal wieder eine schöne geile Kathrinaktion!

Gut gemacht

sagt Martin

Marion hat gesagt…

Mensch Kathrin was machst Du da? Und vor allem wie machst Du das?
Riesenrespekt und einen megadicken Glückwunsch!!!!!!!!!!!

Liebe Grüße
Marion (aus dem Harz)

Ausdauerjunkie hat gesagt…

Super! Mich würde der Duathlon auch interessieren, habe ihn noch nie "gesehen"; willst du deinen link noch "scharf" schalten? Du hast nur 44 Min. für die 10km gebraucht? Weiterhin viel Erfolg!

lonerunner hat gesagt…

Hart, härter, Kathrin...
Einfach nur Respekt !!

Unknown hat gesagt…

Tolle Leistung,
höchster Respekt.
Hans

Blumenmond hat gesagt…

Sprachlos irgendwie. Toll... blödes Wort dafür aber mehr fällt mir jetzt echt nicht mehr ein.

Anonym hat gesagt…

Hallo, Kathrin

du hast gezweifelt und gekämpft - das kommt mir sehr bekannt vor - und hast gesiegt !!

Stark !
Super !
Eine dicke Umarmung !

Anonym hat gesagt…

Hallo Katrhin, schöner Bericht. Da weiss ich jetzt mal was auf der Strecke so abging. Hast du super gemacht! Bin stolz auf dich!
LG Bine

Tati hat gesagt…

Du hast meinen riesigen Respekt. Das war wieder Mal so eine Wahnsinnsleistung, die sprachlos macht. Erhol dich gut.
Wir sehen uns im Schlaubetal in 5 Wochen und darauf freue ich mich schon gewaltig.

Liebe Grüße
Tati

Anonym hat gesagt…

Kathrinchen, das war einfach irre! Wie du dich mit den Problemen, die schon so früh auftraten, durchgebissen hast - großartig! Ich ziehe meinen virtuellen Hut vor dir.

Liebe Grüße, erhol dich gut von den Strapazen!

Anne

Anonym hat gesagt…

SUPER!
Was für ne Power du doch hast!!!!

LG Angelmue

Stefan hat gesagt…

Es ist immer wieder bewundernswert was du leistest, Kathrin.

Meinen tiefen Respekt!

Liebe Grüße
Stefan

Anonym hat gesagt…

Hallo Kathrin!
Das was ich Dir jetzt sagen/schreiben will/muss, passt hier nicht rein. Ich schicke Dir eine Mail. Bis dahin aber eines noch:
Ich ziehe alle Hüte, alle!!!
Gruß Dieter

Kathrin hat gesagt…

Habt alle ganz, ganz herzlichen Dank für Eure lieben Glückwünsche und Kommentare. Gestern bin ich schon mal vorsichtig wieder ein paar Kilometerchen gelaufen - so für die Seele, ich liebe diese Läufe nach solchen Sachen. Den Link habe ich nun auch aktualisiert, also wer sich`s anschauen möchte...

Kathrin

Hannes hat gesagt…

Wahnsinn. Genial. Super.
Glückwunsch Kathrin - eine riesige Leistung! Da musste man selbst beim Lesen noch leiden, so ein harter Brocken, von Anfang an Probleme, und dann nach der richtig harten Radtour noch 30, DREIßIG Kilometer laufen - Respekt in höchster Art und Weise!

Oli.F. hat gesagt…

so, jetzt hab ich endlich mal zeit deinen bericht auch mal in ruhe zu lesen. wow! nein, doppel wow!!!

ich nehme an du hast die probleme in den waden vom bergablaufen bekommen. sowas in der art habe ich auch schon erlebt.
ist schon mal eine erfahrung die ich mir merken werde.

also, das macht mich schon irgenwdie ganz nervös. ich glaube ich muss da auch mal hin. duathlon macht schnell, sagt man, und dein bericht weckt richtig viel neugier in mir auf zofingen.

klasse gemacht liebe kathrin. jetzt steht der pb in ffm nix mehr im weg. du rockst das ;-)