
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick,
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dort her sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises
In Streifen über die grünende Flur.
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlts im Revier,
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurück zu sehen!
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden:
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und, bis zum Sinken überladen,
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!
(Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
4 Kommentare:
Kathrinchen,
Du bist mir zuvor gekommen, ich hatte bereits J.W.Goethe vor mir liegen, um es an den Mann zu bringen an einem Tag wie diesen !
Genial, dieser Mann, wie schön er Worte verpacken konnte !
Viele Osterhasen wünsche ich Dir - die Sonne scheint, die Piste ruft, mal sehen, ob wir ihn unterwegs treffen ??
*g* ... dieses Teil kennt wirklich jede/r ... nicht verwunderlich, dass mir aus dem von mir heiß geliebten Faust (die Hauptfigur sah dieses "menschliche Treiben" im Stück aus mehr als distanziert-befremdeter Warte, hatte sich gerade umbringen wollen um derartigen Oberflächlichkeiten zu entfliehen und nicht zufällig ließ er sich daraufhin auf den Bund mit dem Teufel ein, der ihm noch einmal zeigen sollte, dass das Leben Freuden beherbergt. Die im "Osterspaziergang" genannten waren nicht so das seine und ich kann das irgendwie auch verstehen ... ;) eher die davor und die danach heiß am Herzen liegen. Die folgenden hatte ich in Münster mal ausgedruckt über dem Bürotisch hängen und wurde oft darauf angesprochen *lol*
Ist es nicht Staub, was diese hohe Wand
Aus hundert Fächern mir verenget?
Der Trödel, der mit tausendfachem Tand
In dieser Mottenwelt mich dränget?
Hier soll ich finden, was mir fehlt?
Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen,
Dass überall die Menschen sich gequält,
Dass hie und da ein Glücklicher gewesen?
und hier eine meiner absoluten Lieblingsstellen von etwas später:
In jedem Kleide werd ich wohl die Pein
Des engen Erdelebens fühlen.
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der jedem an die Ohren klingt,
Den, unser ganzes Leben lang,
Uns heiser jede Stunde singt.
Nur mit Entsetzen wach ich morgens auf,
Ich möchte bittre Tränen weinen,
Den Tag zu sehn, der mir in seinem Lauf
Nicht einen Wunsch erfüllen wird, nicht einen,
Der selbst die Ahnung jeder Lust,
Mit eigensinnigem Krittel mindert,
Die Schöpfung meiner regen Brust
Mit tausend Lebensfratzen hindert.
Auch muß ich, wenn die Nacht sich niedersenkt,
Mich ängstlich auf das Lager strecken;
Auch da wird keine Rast geschenkt,
Mich werden wilde Träume schrecken.
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen;
Und so ist mir das Dasein eine Last,
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhaßt.
.... und obwohl (oder weil?) ich das Leben für eine ganz und gar wunderbare Erfindung halte: das hat Power, oder? ;-)
Schöne Restostern noch - ich muss los, Rad einfahren *s*
@margitta: Mensch, hättest es doch reinstellen können. Du hast doch einen ganz anderen Leserkreis als ich. Das wär schon ok gewesen. Ich hoffe, Du hattest schöne Ostern. Als ich Deinen Eintrag von Sonnenschein las, hat`s hier heftig geschneit...;-)
@Lizzy: danke für die tiefgründigen Textzeilen. Ob es in mir ein Power-Gefühl hinterläßt, wage ich zu bezweifeln. Eher eine Art Unbehagen, aber ich weiß noch nicht genau warum. Ich muß auch gestehen, daß ich, bis auf den Osterspaziergang nicht wirklich ein Faust-Kenner bin. Es war damals Schullektüre und dazu hat man ja bekanntlich ein eher gespaltenens Verhältnis.
Was ist das für ein neues Rad, das eingeritten wird? Ich schau mal im Blog...;-)
SCHÖN!
ich ahe ein bekannte in Potsdam, die mir das gedicht immer brav zu Ostern aufsagte...an die dachte ich dabei.
mandy
Kommentar veröffentlichen